Unsere Geschichte

Text von Christa Oemisch

… ist Teil der „Neuen Frauenbewegung“ der Bundesrepublik Deutschland, die 1949 mit der Schaffung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat begann. Die vier „Mütter des Grundgesetzes“ – Elisabeth Selbert(SPD), Helene Wessels (Zentrum),Helene Weber (CDU)und Friederike Nadig (SPD) bestanden gegen den Widerstand der Männer darauf, dass in Artikel 3 die Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ aufgenommen wurde.

1949 wurde auch der Deutsche Frauenrat als Dachverband der verschiedenen damaligen Frauenverbände gegründet. Dessen Mitglied Hedda Heuser, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, äußerte im November 1979! – also 30 Jahre später, u.a.:

„Die vorwiegend vom Biologischen abgeleitete Vorstellung von der Frau als einem gebärenden, hütenden, sorgenden Wesen hat hartnäckig alle sonstigen emanzipatorischen Entwicklungen der Gesamt-Gesellschaft überdauert… innerhalb der Familie genauso wie innerhalb der Gesellschaft ist der Anspruch, den das Kollektiv gegenüber dem Individuum Frau auf Einschränkung, Beschränkung, Bereithaltung, Opfer erhebt, größer als gegenüber dem Individuum „Mann“… Die Improvisationskraft der Frauen, die sich ihr ganzes Leben über auf neue und für sie belastende Situationen einstellen mußten, darf nicht weiterhin mißbraucht werden.“

(Zitat aus Rosemarie Nave-Herz: „Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland“, S. 51)

Die Erfahrung des Ungleichseins und der Bevormundung teilten damals Frauen in der gesamten Republik. Die Zeitschrift „EMMA“ – im Februar 1977 von Alice Schwarzer begründet, wurde zum Sprachrohr der Neuen und liegt bis heute im Frauenzentrum aus.

Aufbruch in Wolfsburg

Wolfsburg, Ende der 1970er-Jahre – eine Zeit, in der Frauen den Aufbruch aus dem Privaten ins Politische wagten! Endlich setzten sie sich aktiv und kritisch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinander, die ihnen noch überall rasch Grenzen aufzeigten. Es bildeten sich erste Frauentreffs in der „Arche“ wie die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen“ (ASF) und die Frauengruppe der Grünen. Doch schon bald entstand der Wunsch nach einem eigenen Treffpunkt für Frauen in Wolfsburg.

Anfang mit Hindernissen

Ramona Clay-Fink, frauenbewegte Bürgervertreterin und Vorsitzende der ASF, ergriff die Initiative. Sie lud Freundinnen, Nachbarinnen und Parteifrauen in ihr Wohnzimmer ein, um mit ihnen die Grundsätze einer Fraueneinrichtung zu diskutieren. Allmählich nahm die Idee Gestalt an: keine Männer, nicht parteigebunden, unabhängig – so sollte das Frauenzentrum sein.

Bei den sogenannten „Stadtvätern“ stieß die Idee der Frauen allerdings zunächst auf Misstrauen, denn Geld wollte „Mann“ den Frauen nicht anvertrauen. Diese bekamen den Auftrag, sich zuerst einen vertrauenswürdigen (sprich: männergeführten) Trägerverein zu suchen. Diesen fanden sie in der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die den Gründerinnen einen Untermietvertrag in der Goethestraße 12 anbot, einem ehemaligen Ladengeschäft, das zuletzt für kurze Zeit eine Künstler*innen.-Initiative genutzt hatte. Nach der Renovierung und Möblierung der Räume aus privaten Beständen sowie mit Sesseln aus dem „Café Cadera“ wurde Ende Oktober 1979 das neue Frauenzentrum unter dem Namen „Teestube Frauenzimmer“ eröffnet, begleitet von Presseberichten und dem Auftritt in einer Radiosendung – „Marketing“ gab es damals bereits

(Textauszüge aus Christoph Stölzl (HG): „Die Wolfsburg Saga“, Stuttgart 2008)  Seite 2-3

Ein aktives Frauennetzwerk entsteht

Nun endlich konnten die Gründungsfrauen aktiv werden. „Wir haben damals alle gebrannt, wir wollten Verbesserungen für Frauen erreichen, wollten politisch denken und handeln“, erinnert sich Sigi Heizmann, die schon mehr als 40 Jahre ehrenamtlich im FRAUEN-ZIMMER arbeitet, an die damalige Aufbruchstimmung.

Und wie sie loslegten! Die „Teestube“ wurde schnell zum Anlaufpunkt für Frauen mit Gewalterfahrungen. Ein Telefon-Notdienst mit privaten Telefonnummern wurde eingerichtet. Betroffene Frauen wurden mit Privat-Pkws in Frauenhäuser nach Braunschweig oder Salzgitter gefahren. Die engagierten Wolfsburger Frauen forderten bald ein eigenes Frauenhaus in ihrer Stadt – die sparsamen „Stadtväter“ sahen die Notwendigkeit jedoch lange Zeit nicht. Als weitere Unterstützung für Frauen in Not gründeten die Frauen den „Arbeitskreis Scheidung“, wo sie Hilfe und Information finden konnten, sowie eine „Krebs-Nachsorgegruppe“ für den Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen.

Lesben meldeten sich. Eine Frauen-Theatergruppe wurde gegründet, die bei Gesamttreffen mit typischen Frauenszenen Furore machte. Für berufstätige Mütter konnte die Änderung von Kita-Öffnungszeiten erreicht werden. Der Verein Frauen-Forum e.V. entstand und mit ihm ein Netzwerk von Frauen, die sich gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite standen. In der gesamten Vereinszeit tagte das Frauen-Forum in der „Teestube“.

Später wurde mit Hilfe der Ratsfrauen – allen voran Irmela Hammelstein – endlich ein „Frauenhaus“ eröffnet. Die Gründung eines „Mädchen-Cafés“ wurde ermöglicht – zunächst als „Café Gala“ in der Friedrich-Ebert-Straße, später als „Mädchencafé Rote Zora“ in der Porschestraße als Beratungsstelle für Mädchen,Planung und Einrichtung der Frauenfirma „Einfach lila“ im Schachtweg (Frauenberatungsstelle) – die nach ihrer Schließung von „Frau und Wirtschaft“ abgelöst wurde.

Dem Zusammenschluss verschiedener politischer und gewerkschaftlicher Frauengruppen mit Ratsfrauen aller Parteien führte schließlich dazu, dass die Stadt Wolfsburg 1988 als eine der ersten in Niedersachsen per Ratsbeschluss die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten einrichtete. Mit allen bisherigen Beauf-tragten und ihren Mitarbeiterinnen haben wir eng zusammengearbeitet und sie unterstützt.

Das Wolfsburger „Frauen-Netzwerk“ existiert und funktioniert immer noch dank verlässlicher Ansprechpartnerinnen und guter Kontaktpflege.

Unsere Existenz gerät in Gefahr

Das „Frauenzimmer“ – inzwischen in „Frauenzentrum FRAUEN-ZIMMER GOETHESTRASSE“ umbenannt, hat am 2. November 2019 sein 40-jähriges Jubiläum gefeiert. Darauf sind wir sehr stolz! Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass unsere Existenz bereits zweimal in äußerste Gefahr geraten ist:

Die erste Krise trat bereits 2004 auf – kurz vor unserem 25-jährigen Bestehen. Verursacht wurde sie durch eine wirtschaftliche Rezession, die die Volkswagen AG und damit deren Gewerbesteuerabgaben an die Stadt betrafen. Damals gab man uns vonseiten der Stadt zu verstehen, dass unser jährlicher Zuschuss für Miete und Heizung (6.000 €) eine „freiwillige Leistung“ der Stadt sei, die nun eingestellt werden sollte. Wir luden den damaligen Geschäftsführer des Sozialamtes, Herrn Werner Bone, zu einem Info-Besuch ins „Frauenzimmer“ ein und konnten ihn vom Wert unserer sozialen Arbeit überzeugen. Er gab – unter Auflagen – seine Zusage, uns den Zuschuss nicht zu streichen.

Die Auflagen – bessere Auslastung der Räume und mehr Öffentlichkeitsarbeit – setzten wir konsequent um. 2004 starteten wir unsere – sehr erfolgreiche – Veranstaltungsreihe „Erzähl-Café“, die seitdem mit mehr als 130 Veranstaltungen zu verschiedenen Jahresthemen zahlreiche Besucherinnen jeden Alters begeistert hat. Weitere Angebote folgten Schritt für Schritt, und so konnten wir die Zahl unserer Gäste deutlich steigern.

Im Jahr 2019 ergab sich – wieder aufgrund einer finanziellen Schieflage bei der VW AG – ein zweites Mal eine ernsthafte Gefährdung des Frauenzentrums, wieder wurde uns eine Streichung der Geldmittel ange-kündigt. Mit sichtbarer Präsenz unserer Nutzerinnen in Rats- und Ausschuss-Sitzungen und der Bereitschaft von Ratsmitgliedern, die Arbeit des FRAUEN-ZIMMERs bei einem Besuch genauer unter die Lupe zu nehmen gelang es uns, eine positive Zustimmung des Sozial- und Gesundheitsausschusses zu erhalten und damit unseren überlebenswichtigen Zuschuss für den Doppelhaushalt 2020/21 zu retten. Wir danken allen, die uns dabei unterstützt haben!

Fazit und Ausblick

Es fällt uns mitunter nicht leicht, dem Lob der Stadt bzgl. des Wertes des Ehrenamts zu glauben, wenn wir in ernster Lage gesagt bekommen, dass wir eigentlich keinen Anspruch auf Geldleistungen haben. Wenn ein solcher nach 40-jähriger Ehrenamtsarbeit nicht erworben wurde, dann läuft unserer Meinung nach etwas schief in unserer Stadtverwaltung. Geld zu verwalten heißt auch, es sinnvoll ein-zusetzen, und wir sind der festen Überzeugung, dass das bei uns der Fall ist.

Ehrenamtsarbeit leisten unsere Teamerinnen seit 40 Jahren mit viel Engagement. Uns ist es wichtig, mit unseren Nutzerinnen solidarisch zu sein und sie auf vielfältige Art zu unterstützen. Viele von ihnen nutzen das FRAUEN-ZIMMER, um ihre soziale und psychische Gesundheit zu erhalten und einer Vereinsamung zu entgehen. Gerade in der „Corona-Krise“ von 2020 erwies sich die vollkommene Schließung unserer Einrichtung als sehr belastend für viele Frauen, weil ihre Kontaktmöglichkeiten plötzlich wegbrachen. Es ist daher wichtig, unseren Treffpunkt zu erhalten.

Für unsere ernsthafte Absicht, eine Zusammenarbeit mit Schülerinnen und jüngeren Frauen anzustreben, war „Corona“ auch ein Hemmnis, da Treffen nicht möglich waren. Wir halten jedoch an unserer Absicht fest und möchten so bald wie möglich mit unserer Zielgruppe in Kontakt treten, um gegenseitiges Kennenlernen und Möglichkeiten gemeinsamer Interessen und Unternehmungen zu erkunden und umzusetzen.

Gerne können junge Frauen auch mit ihren Ideen auf uns zugehen. Es gibt auch die Möglichkeit, unseren Raum in den Abendstunden für eigene Treffen zu nutzen.